Gastbeitrag von Sandra Walkenhorst
Thai Yoga tut uns Erwachsenen gut. Vielleicht durftest Du das selbst schon erleben und auch, dass man das Erlebte kaum in Worte fassen kann. Nach und nach wird spürbar, dass nicht nur wir Erwachsenen ein Bedürfnis nach Berührung haben, sondern auch Kinder und Jugendliche.
Jetzt denkst Du vielleicht „Das ist doch selbstverständlich“. Aber leider ist es das tatsächlich nicht. In meiner Arbeit mit Kindern und Jugendlichen stelle ich in den letzten Jahren vermehrt fest, dass auch hier der Mangel an Berührung immer sichtbarer, bzw. fühlbarer wird. Für mich war das der Grund vor zwei Jahren Thai-Kinderyoga zu entwickeln.
Bindung braucht Berührung
Wenn wir geboren werden, ist Berührung unsere erste „Sprache“. Durch Berührung zu unserer Mutter, bzw. zur ersten Bezugsperson entsteht Bindung. Berührung ist lebenswichtig, wir alle brauchen sie. Und doch erleben wir gerade in Institutionen vermehrt eine, ich sage mal, Angst vor Berührung und daraus resultierende Berührungsverbote. Dies ist eine Katastrophe, wie ich finde. Denn es fehlt den Kindern nämlich hierdurch ein essentieller Teil von Bindung und Zugehörigkeit.
Durch Berührung erleben wir unter anderem auch uns selbst in dieser Welt. Wir spüren, wo wir anfangen und aufhören und erleben unseren Körper im Kontext der Welt. In einer Zeit, in der Kinder immer länger „fremdbetreut“ sind, werden dann unweigerlich die Erzieher*innen und pädagogischen Fachkräfte zu wichtigen Bezugspersonen. Das ist auch vollkommen ok, allerdings gehört eben zu einer guten Bindung auch eine angemessene Berührung. Du merkst sicher, worin der Denkfehler dann also liegt, oder?
Teenager – wo gehöre ich hin?
Doch nicht nur Kinder erleben diesen Berührungsmangel. Gerade Teenager sind hiervon vielleicht sogar noch mehr betroffen. Das liegt sicherlich auch daran, dass sie sich in einer Umbruchphase befinden, die meist für alle Beteiligten keine leichte ist. In der Pubertät verändert nicht nur den Körper. Das Gehirn eines Teenagers erfährt eine massive Umstrukturierung. Es wird einmal komplett umgebaut und zwar von hinten nach vorne.
Um es kurz zu fassen: Das Gehirn schmeißt den Kram raus, der nicht mehr benötigt wird und verfestigt die Strukturen, die wichtig sind für diesen individuellen Menschen. So sind Teenager tatsächlich in einem kreativen Hoch. Doch haben sie auch mit vielen Herausforderungen zu tun. Eine wichtige Veränderung, die ein hohes Konfliktpotential mit sich bringt, ist sicherlich die verspätete Ausschüttung des sogenannten Schlafhormons Melantonin. Durch die veränderte Ausschüttung können Teens meist erst spät einschlafen und sind morgens dementsprechend unfit. Unser früher Schulbeginn ist also nicht gerade hilfreich für ein Teenagergehirn. Zudem kommt das Erleben des sich verändernden Körpers, auch das ist nicht immer leicht für Heranwachsende.
Kuscheln, nein danke
Dass ein Teenager meist nicht mehr sonderlich wild auf Kuscheleinheiten mit Mama oder Papa ist, ist sicherlich weit verbreitet. Und doch brauchen auch die Teens Berührung. Berührung schüttet Oxytocin (auch als „Glückshormon“ bekannt) aus und lässt den Blutdruck und die Herzfrequenz sinken, so dass Ruhe und Entspannung entstehen können. Hier ist Thai Yoga für Teens eine wunderbare Möglichkeit wieder in einen berührenden Kontakt zueinander zu treten. Eltern dürfen ihre heranwachsenden Kids wieder berühren und das in einer Art und Weise, die die Teenager gut annehmen können.
Schließlich werden hier auch verspannte Muskeln gelöst, am tiefen Gewebe gearbeitet und Gelenke mobilisiert. So kann hier eine völlig neue Form der Beziehung und Kommunikation zwischen Eltern und Teenagern oder auch zwischen Freund*innen untereinander im Teenageralter entstehen.
Empfänger = Bestimmer
Ganz wichtig hierbei ist, dass der Empfänger bestimmt, was er/sie möchte und was nicht. Es geht nicht um irgendeine Form von Berührung, sondern achtsame Berührung. Häufig ist es hilfreich, das den Teenagern sehr deutlich zu sagen, um ihnen auch das Gefühl zu geben, das selbst die passive Rolle des Empfängers durchaus selbstbestimmt ist! Für Dich als Geber ist es wichtig zu wissen, was Du tust. Deine Berührung sollte klar und achtsam und im besten Fall mit Hingabe sein. Wenn Du mit der Intention berührst dich voll und ganz auf dein Gegenüber einzulassen um ihm/ihr etwas Gutes zu tun ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten, wird dies ein großes Geschenk für euch beide sein.
Die beiden nachfolgenden Übungen sind vor allem bei Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich sehr wohltuend. Probiere es gerne einmal aus und schenke Dir und „Deinem“ Teenager einen wunderbaren und berührenden Moment. Viel Freude beim Tun!
1. Die Schulter kreisen
Durchführung
Der Teenager liegt auf der Seite. Du kniest seitlich hinter dem Rücken des Teenagers. Lege Deine ihm zugewandte Hand vorne auf die Schulter und Deine andere Hand fasst das Schulterblatt. Dann beginne, das Schulterblatt zu kreisen. Das kannst Du in beide Richtungen tun.
Wirkung
Diese Übung mobilisiert die Schulter, löst Verspannungen und schafft Raum.
Tipp
Du solltest immer beide Körperseiten bearbeiten. Falls du mehrere Techniken in der Seitlage hintereinander durchführst, bleibe zuerst bei einer Körperseite und wechsle dann erst auf die andere Seite!
Aus dem Buch »Thai Kinderyoga«, S.234
2. Den Nacken ausstreichen
Durchführung
In der Seitlage kannst Du wunderbar am Nacken arbeiten. Mit Deinem Daumen kannst Du den Nacken von unten in Richtung Schädelansatz ausstreichen. Du kannst den Muskelstrang auch mehrmals von unten nach oben ausstreichen und dabei deinen Daumen immer ein wenig versetzen. Du kannst hier auch intuitiv massieren.
Wirkung
So wird der Nacken entspannt und gedehnt. Am Schädelansatz befinden sich außerdem Triggerpunkte, die durch sanften Druck Verspannungen und Kopfschmerzen lösen können.
Tipp
Deine freie Hand kann an der Schulter liegen, so hältst du Kontakt und gibst Sicherheit. In dieser Position kannst du auch den Kopf massieren.
Aus dem Buch »Thai Kinderyoga«, S.235
Empfehlung
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Über Sandra Walkenhorst
Sandra Walkenhorst ist Dipl. Sozialpädagogin, Yogalehrerin, Kinderyogalehrerin, Thai Yogalehrerin und Mutter eines fünfzehnjährigen Sohnes. Vor zwei Jahren entwickelte sie Thai-Kinderyoga, eine Symbiose aus Kinderyoga, Thai Yoga und pädagogischen Elementen. Ihr Herz gehört der Verbindung von Yoga und Berührung für groß und klein. Ihr Buch „Thai-Kinderyoga“ erscheint am 16. September 2019 im Meyer & Meyer Verlag.
Mehr zu ihren Ausbildungen und Workshops auf: www.ahimsa-institut.de oder www.kinderyoga-akademie.de
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