Auf dieses Interview habe ich mich besonders gefreut! Beate Meyer ist Yogalehrerin, Physiotherapeutin und eine begehrte Dozentin bei Yogalehrer-Ausbildungen für den Bereich Anatomie. Ihre Schüler schätzen sie für ihren begeisterten, klaren und leicht verständlichen Unterrichtsstil.
Manche Menschen denken ja, dass Anatomie kompliziert oder langweilig ist. Warum muss Anatomie nicht trocken sein?
Yoga lehrt uns den bewussten Umgang mit unserem Körper. Funktion, Kraft, Stärke, aber auch Schwäche oder Schmerz zu begreifen, ist weder kompliziert und schon gar nicht langweilig. Sind wir nicht alle neugierig, unseren Körper zu verstehen?
Was viele Menschen abschreckt, sind lateinische Bezeichnungen, unverständliche Fremdwörter und Komplexität der Funktionen. Daher versuche ich, darauf in meinem eigenen Unterricht zu verzichten. Ich lenke die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche, das man als Lehrer wissen muss, um verantwortungsbewusst zu unterrichten.
Wie schaffst du es, Yogalehrer und angehende Lehrer für Anatomie zu begeistern?
Der Austausch mit der Gruppe ist für mich immer praktisch, lebendig und lebensnah:
Der Prozess geht für mich vom Sehen zum Spüren und zum Erkennen. Durch diese Abfolge bringen wir Anatomie auf die Matte und von der Theorie in die Praxis. Und so wird sie für die Teilnehmer erfahrbar und Alignment, präzise Ausrichtung, Technik und Assists werden verstanden und umgesetzt.
Was habe ich als Yogalehrer oder Bodyworker davon, mich mit Anatomie zu beschäftigen, und wie kann ich dieses Wissen praktisch nutzen?
Das Verständnis für die Anatomie schafft ein Verstehen des eigenen Körpers. Zu erkennen, welche Stärken oder Schwächen man hat, verändert und optimiert die eigene Yogapraxis. Mit dem gewonnenen Wissen kann ich das individuelle Bewegungsverhalten meiner Schüler verstehen, leiten, lenken, korrigieren und verantwortungsvoll unterrichten. Meine Assists beim Unterrichten oder in meiner Behandlung sind sanft, klar und zielgerichtet. Ich verstehe Probleme, Einschränkungen oder Erkrankungen meiner Schüler und kann kompetent damit umgehen.
Ein wesentliches Stichwort, das Du bis jetzt schon zweimal genannt hast, ist verantwortungsvolles Unterrichten. Was heißt das für Dich konkret?
Wenn Du Lehrer bist, trägst Du die Verantwortung für das Wohlbefinden Deiner Schüler. Deine Aufgabe ist es nun, ihre Selbstverantwortung zu stärken, ihnen die Verantwortung für ihren eigenen Körper zurückzugeben. Und das kannst Du durch einen klaren und individuellen Unterricht tun: Unterrichte nie nach „Schema F“, sondern beobachte genau, was deine Schüler können und mitmachen, passe dich gegebenenfalls an. Lehre sie, dass Schmerz oder Einschränkung eine Yogapraxis verändern dürfen.
Auf welche anatomischen Punkte sollte ich als Lehrer in den einzelnen Haltungen bzw. beim Aufbau einer Sequenz achten?
Die Ausrichtung des Beckens beeinflusst sehr die Statik und physische Haltung der Lendenwirbelsäule: Achte immer auf eine gut gestreckte Lendenwirbelsäule, die wir wegen verkürzter Beinmuskeln oft verlieren, z.B. bei diversen Asanas im Sitzen.
Die Ausrichtung des Schultergürtels beeinflusst sehr die Statik und physische Haltung der Halswirbelsäule: Achte auf stabile Stützkraft der Schultern, vermeide überstreckte Ellenbogen, so dass die Halswirbelsäule durch eine gute Basis eine gute Ausrichtung findet.
Für einen starken und gesunden Rücken baue Rückbeugen in Deine Unterrichtssequenz ein.
Und sorge für eine stabile Mitte! Core-Integrität ist ganzheitliches Bauchtraining und hat wenig mit Crunches oder Situps zu tun: Entdecke deinen „Transversus abdominis“ (tiefer, quer verlaufender Bauchmuskel), der stützt, schützt und stabilisiert!
Hast Du noch weitere Tipps, die hilfreich zum Verständnis des menschlichen Körpers sind?
Ich bin kein so großer Fan von Anatomie-Apps oder YouTube Videos, sondern finde viel wichtiger, die eigene Anatomie zu spüren. Toll finde ich gezielte Assists, denn das schult das Spüren und optimiert die eigene Ausrichtung. Auch die Erfahrung in der eigenen Praxis mal gefilmt zu werden, kann helfen, damit sich der „äußere Blick“ mit dem „inneren Blick“, den man auf sich selbst hat, verbindet. Eine große Hilfe ist es, die eigene Anatomie zu verstehen, wenn man 1:1 Yogaunterricht genießen kann oder gezieltes Personaltraining im Yoga erfährt.
Wie hast Du Dir selbst all das Wissen angeeignet?
Mein Wissen ist stetig gewachsen in meiner 30jährigen Tätigkeit als Physiotherapeutin und der 15jährigen Erfahrung als Yogalehrerin. Ich habe viele Fort- und Weiterbildungen als Physiotherapeutin besucht und auf meinem Yogaweg viele bekannte nationale und internationale Lehrer auf Veranstaltungen, Konferenzen und Workshops getroffen. Doch lerne ich immer, jeden Tag von meinen Patienten, von meinen Schülern durch Beobachten, Spüren, Agieren, Behandeln, Unterrichten und dem Feedback, das ich bekomme. Austausch und Rückmeldung sind mir immer wichtig, um meine Arbeit zu reflektieren und zu optimieren.
Beates Literaturempfehlungen zum Thema Anatomie:
Yoga H. David Coulter: Anatomie des Hatha Yoga
Blandine Calais-Germain: Anatomie der Bewegung:
Ray Long: Yogaanatomie 3D (Bd. 1)
Ann Swanson: Yoga Verstehen
Dr. Ch. Larsen/ Chr. Wolff/ E. Hagen-Forstenlechner: Medical Yoga Bd. 1+2:
Dr. Ch. Larsen: Gut zu Fuß ein Leben lang
Bernie Clark: Your body your yoga
Judith Hanson Lasater: Yogabody
Th.W.Myers: Anatomy trains
Daniele Meinl: Das große Faszien-Yoga Buch
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Über Beate
Beate Meyer ist Yogalehrerin und Physiotherapeutin in Köln.
Ihre Yogalehrer-Ausbildung absolvierte sie 2007 bei Lord Vishnus Couch/Köln und ergänzte sie über drei Jahre mit der Svastha Yogatherapie bei G. Mohan/ G. Niesen.
In ihrer langjährigen Erfahrung als Physiotherapeutin setzt sich Beate intensiv mit Biomechanik, Muskelfunktionen, Statik und Haltung auseinander. So verbindet sie in ihrem Unterricht Yoga und Therapie, um eine individuell ausgerichtete Yogapraxis, die stärkt oder entlastet, zu ermöglichen. Ein klar strukturierter Unterrichtsaufbau mit Variationen und Möglichkeiten für jede Konstitution, ein kreatives Sequenzing, verbunden mit Freude und Spaß sind ihr sehr wichtig. Ihr therapeutisches Fachwissen fließt in ihren dynamischen Yoga-Unterricht ein, den sie auch gerne in individuellen Einzelstunden umsetzt. Ihre Schüler erfahren, dass Yoga in jedem Alter, mit jedem Körper, möglich ist und sich dadurch Vieles verändern kann.
Beate unterstützt als Anatomie-Referentin Yogalehrer-Ausbildungen bei: Lord Vishnus Couch und Manala Yoga in Köln, Vishnusvibes in Düsseldorf, CoolYoga in Dortmund, Yogimotion in Neuss, OmShanti in Ratingen, Yoga-Power-Core in Mönchengladbach, My Shanti Yoga in Nürnberg und Ananda Yoga in Offenburg. Angewandte Anatomie hat für Beate immer einen Bezug zur Yogapraxis, ist lebendig und spannend, was sie mit viel Herz und Begeisterung vermittelt.